Anfang Jahr ist die fünfte Generation der Familie Scherrer ins Unternehmen eingestiegen. Ein Gespräch über Traditionen und die Herausforderungen der Zukunft mit dem neuen und dem scheidenden VR-Präsidenten Beat Conrad und Beat Scherrer.
Interview: Tanja Polli
Die Scherrer Metec AG ist bald 130 Jahre alt. Was waren die grössten Veränderungen in dieser Zeit?
Beat Scherrer: Manche unserer Gewerke sind so traditionell, dass sich wenig verändert hat. Das ist etwas, was uns ausmacht – wir können noch, was mein Urgrossvater konnte, der die Firma gegründet hat. Gleichzeitig haben wir uns die neuesten Techniken angeeignet, etwa PV-Anlagen.
Beat Conrad: Der Holzbau ist heute hoch technisiert, und PV-Anlagen haben mit Tradition nichts mehr zu tun. Was sich besonders stark verändert hat, ist die Administration. Der Beruf des Projektleiters hat sich grundlegend gewandelt, die Digitalisierung ist auf dem Bau in vollem Gange. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich vor vielen Jahren nach einem ersten Handy gefragt habe und auf grosse Skepsis gestossen bin. Heute läuft alles – von der Planung bis zur Abrechnung – digital.

Ihr habt die verschiedenen Gewerke angesprochen. Was ist der Vorteil, in so vielen Bereichen tätig zu sein?

Conrad: Spezialisierung bleibt essenziell – wir müssen in allen Bereichen ausgewiesene Fachleute sein. Dafür stehen wir. Gleichzeitig ist es für die Kundinnen und Kunden attraktiv, eine Ansprechpartnerin zu haben, die ein ganzes Projekt begleiten kann. Das macht unsere Arbeit herausfordernd, aber auch bereichernd.
Scherrer: Heute sprechen wir von einer integralen Gebäudehülle. Sie muss nicht nur dicht sein und gut aussehen, sondern auch Energie erzeugen oder sogar begrünt sein. Da hat sich enorm viel getan. Auch unsere Produktionsmittel sind digitalisiert. Mein Urgrossvater schnitt mit der Blechschere, wir mit dem Laser. Aber wer, wie wir, historische Gebäude saniert, muss auch mit der Blechschere umgehen können. Deshalb pflegen wir das traditionelle Handwerk weiterhin.
Mein Urgrossvater schnitt mit der Blechschere, wir mit dem Laser.
Beat Scherrer
Wie ist es für die Mitarbeitenden, in einem so vielseitigen Team zu arbeiten?
Conrad: Unser Team schätzt es, an spannenden Projekten zu arbeiten und gemeinsam mit Fachleuten innovative Ideen zu entwickeln. Das macht uns als Arbeitgeberin attraktiv und sorgt für Abwechslung im Alltag.
Scherrer: Hinzu kommt der wirtschaftliche Aspekt: Je breiter wir aufgestellt sind, desto stabiler ist unser Unternehmen. Über die Jahrzehnte gab es immer wieder Phasen, in denen ein Bereich besser lief als ein anderer. So konnten wir vieles ausgleichen – auch in Bezug auf die Manpower.
Conrad: Zudem wechseln immer wieder Mitarbeitende intern, zum Beispiel vom Dachdecker oder Holzbauer zum Solarmonteur. Das bietet Entwicklungsmöglichkeiten, die man nicht überall hat.

An welches Projekt erinnert ihr euch am liebsten?
Conrad: Da muss ich nicht lange überlegen – das Gotthard-Hospiz. Wir mussten extrem schnell arbeiten, dieses riesige Dach fast ausschliesslich in Handarbeit decken, mit einer Technik, die kaum noch jemand beherrscht – und das in dieser unwirtlichen Umgebung. Unvergesslich!
Scherrer: Für mich war es das Tschuggen Grand Hotel in Arosa, zusammen mit dem Architekten Mario Botta. Es war unser erstes Projekt ausserhalb unserer Region. Plötzlich mussten wir anders planen – mit Transportlogistik und Unterkünften für unser Team. Wir haben enorm viel gelernt und festgestellt, dass wir auch überregional Spitzenleistungen erbringen können. Das war ein Schlüsselmoment für uns.


Haben sich in all diesen Jahren auch die Anforderungen ans Management und die Führungsgrundsätze verändert?
Scherrer: Die Erwartungen der Mitarbeitenden haben sich gewandelt – und die Zeiten auch. In meiner Familie war es früher selbstverständlich, dass mir meine Frau den Rücken freigehalten hat, während ich 130 Prozent für die Firma da war. Heute arbeiten beide Elternteile, da braucht es mehr Absprachen. Teilzeitarbeit ist ein grosses Thema. Als Arbeitgeberin müssen wir Lösungen finden, denn Homeoffice ist in den meisten unserer Bereiche nicht möglich.
Conrad: Trotzdem muss man sagen, dass unsere Mitarbeitenden gerne vor Ort sind. Der direkte Austausch ist wichtig. Jede Generation bringt neue Ideen und Weltbilder mit. Da heisst es, flexibel zu bleiben. Doch die Grundprinzipien der Führung haben sich nicht verändert: Man muss authentisch sein, vorleben, was man verlangt, und ein offenes Ohr haben.

Wenn Sie an die neue Generation im Verwaltungsrat denken: Welche Herausforderungen kommen auf sie zu?
Scherrer: Die grossen Herausforderungen liegen in den geopolitischen Umbrüchen, die die Welt derzeit erschüttern. Die Wahl von Donald Trump wird sich auch auf unsere Branche und die Schweizer Wirtschaft auswirken. Es könnte zur Inflation kommen, zu einem Rückgang der Bautätigkeit, zu Veränderungen in der Migration. Wir müssen wachsam bleiben, schnell reagieren und uns anpassen.
Conrad: Da stimme ich zu. Wer Entwicklungen verschläft, kann rasch in Schwierigkeiten geraten – und Fehlentscheidungen können teuer werden. Gleichzeitig gibt es grosse Chancen: Der Bedarf an Sanierungen historischer Bauten bleibt hoch, neuer Wohnraum wird gebraucht. Hier können KMUs einen wichtigen Beitrag leisten. Ich bin überzeugt, dass wir gut aufgestellt sind.
Ist es also immer noch eine gute Idee, «auf den Bau zu gehen»?
Scherrer: Unbedingt! Unsere Mitarbeitenden übernehmen schnell Verantwortung und verdienen gut – ohne jahrelanges Studium. Das macht unsere Branche attraktiv. Und natürlich ist da ganz viel Herzblut im Spiel. Wer für diesen Beruf brennt, bleibt ihm oft ein Leben lang treu.
Conrad: Wir sind da vielleicht befangen – aber ja, absolut! Wir sind beide über das Handwerk in die Berufswelt eingestiegen und es hat uns nie mehr losgelassen. Wir müssen uns nie fragen, warum wir morgens aufstehen. Am Ende des Tages sieht man, was man geschaffen hat – und das macht glücklich.